Myasthenie: Wenn das Immunsystem den Muskel schwächt

medbo und Universitätsklinikum Regensburg (UKR) als integriertes Myasthenie-Zentrum (iMZ) erfolgreich re-zertifiziert; Deutsche Gesellschaft für Myasthenie (DMG) hebt die besondere Qualität in der Behandlung der seltenen Krankheit hervor

Sie gilt als Schneeflockenkrankheit. Denn jede Schneeflocke ist anders, genauso wie jeder Betroffene unter seiner „eigenen“ Myasthenie leidet. „Bleibt diese Muskelschwäche-Erkrankung unbehandelt, kann das zum Rollstuhl oder Beatmungsgerät führen“, sagt Prof. Dr. Ralf Linker. Dabei versichert der Ärztliche Direktor der Klinik für Neurologie am medbo Bezirksklinikum Regensburg und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Regensburg: „Die Symptome sind heute oft sehr gut behandelbar, sodass wir dem Großteil der Betroffenen ein weitgehend normales Leben ermöglichen können.“ Wichtig sei dafür vor allem, den individuellen Patienten mit seiner individuellen Symptomatik in den Mittelpunkt zu stellen. In Regensburg funktioniert das besonders gut, wie die Deutsche Gesellschaft für Myasthenie (DMG) findet: Die medbo und das UKR wurden daher als integriertes Myasthenie-Zentrum (iMZ) gemeinsam erfolgreich re-zertifiziert.

Fachdisziplinen kommen zum Patienten
„Drei Dinge haben uns besonders überzeugt: Die hohe Behandlungsqualität, die starke Patientenorientierung und vor allem das enge, interdisziplinäre Netzwerk“, sagt Judith Gruber. Die zweite stellvertretende DMG-Vorsitzende betont weiter: „Wir möchten mit unserer Zertifizierung allen Betroffenen dabei helfen, in eine schnelle, umfassende und professionelle Behandlung zu finden. Regensburg ist hier hervorragend aufgestellt.“ Als Organisation von Patienten für Patienten ist für die DMG eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachdisziplinen ein besonders gewichtiges Bewertungskriterium. Ganz im Sinne von Privatdozent (PD) Dr. De-Hyung Lee, dem Leiter des Regensburger iMZ: „Unsere Patienten sollen nicht selbst alle Fachdisziplinen ablaufen müssen. Vielmehr arbeiten wir mit allen Fachdisziplinen im Schulterschluss zusammen, um die sehr individuellen Therapiepläne gemeinsam zu erarbeiten.“ Das spricht sich rum. „Es kommen nicht nur Betroffene aus ganz Deutschland zu uns. Wir haben auch Patienten aus dem Ausland, die zum Beispiel aus den USA für die Behandlung bei uns anreisen“, sagt Lee.

An den Augen ablesbar
Myasthenie, auch bekannt als Myasthenia gravis, ist eine seltene autoimmune Erkrankung. Krankhafte Antikörper verwechseln das eigene Gewebe mit Fremdkörpern und bekämpfen es. Die Kommunikation zwischen den Nerven und Muskeln wird nachhaltig gestört. Typischerweise macht sich das zunächst an den Augen bemerkbar. Die Augenlider fallen zu, die Betroffenen sehen oft Doppelbilder. Doch dabei bleibt es nicht immer, wie Dr. Lee weiß: „Bei einem schweren Verlauf können die Patienten zum Beispiel ihre Arme und Beine nicht mehr richtig bewegen, das kann bis hin zu Lähmungserscheinungen führen.“ Sind Schlucken und Atmung betroffen, könne es zu gefährlichem Verschlucken, oder Atemnot kommen. Typisch ist, dass die Muskelschwäche nach einer Belastung auftritt und sich in Ruhe wieder bessert.

Eine Krankheit, viele Gesichter
„Grundsätzlich kommt aber jeder Patient mit seiner eigenen Myasthenie-Erkrankung zu uns. Symptome, Verlauf oder Ausprägung sind bei jedem unterschiedlich“, gibt Prof. Linker zu bedenken. Bei manchen könne sich die Krankheit rasch über wenige Wochen oder sogar Tage entwickeln. Andere stellen nur allmählich fest, dass die Arme oder Gesichtsmuskeln nicht mehr so gehorchen wie zuvor. Die Symptome können bedrohliche Ausmaße annehmen – genauso „gibt es aber auch Fälle, die nur wenig betroffen sind und über Jahre hinweg einen stabilen Krankheitsverlauf haben“, sagt Prof. Linker. Die Muskelschwäche kann sich sogar nach einer kürzeren Krankheitsphase weitgehend zurückbilden und sich eventuell erst später wieder zeigen. Myasthenie ist zwar nicht erblich, was die Krankheit auslöst ist jedoch noch nicht wissenschaftlich abschließend geklärt. Was die Wissenschaft aber weiß: Am häufigsten Betroffen sind ältere Männer im Alter von 50 bis 80 Jahren. Oftmals sind dies Patienten, die unter mehreren unterschiedlichen gleichzeitig Erkrankungen leiden. Auch Frauen im Alter von 20 bis 40 Jahren seien besonders gefährdet. „Es wird ein enger Zusammenhang der Myasthenie mit Veränderungen der Thymusdrüse vermutet, der „Schule“ in der Immunzellen lernen selbst und fremd richtig zu unterscheiden“, erklärt Prof. Linker.

Nach einer umfassenden Diagnostik folgt die individuelle Behandlung der Symptome. Allen voran die medikamentöse Therapie, um die Angriffe des Immunsystems abzudämpfen und die Nervenimpulse zu stärken. Bei Sprachproblemen und vor allem Schluckbeschwerden braucht es dringend Linderung, in Form von logopädischer Therapie. „Hier wird nochmal deutlich, wie sehr wir vom interdisziplänren Zusammenarbeit profitieren. Das Engagement von unseren Logopäden wie Stefanie Baskici-Jäger ist beeindrucken“, sagt Prof. Linker. In manchen Fällen braucht es aber eine OP. „Wenn wir zum Beispiel feststellen, dass die Erkrankung durch Veränderungen in der Thymus-Drüse im Brustkorb ausgelöst wird.“ Oftmals durch ein Thymom – ein Tumor, der von dieser Thymus-Drüse ausgeht. „Diese sogenannte paraneoplastische Myasthenie ist einer unserer besonderen Schwerpunkte“, so Prof. Linker.

Regensburgs Zentrum für Myasthenie

  • Versorgung auf zwei Säulen
    Seit 2020 finden Myasthenie-Patienten in Regensburg in eine Doppelstruktur an zwei neurologischen Kliniken vor: Die ambulante Versorgung erfolgt mittlerweile über die Poliklinik am UKR, die medbo-Neurologie bietet stationäre Versorgung bis hin zur Intensivversorgung der Myasthenie-Patienten.
     
  • Über 30 Jahre Erfahrung
    Der Grundstein für das gelobte Regensburger Experten-Netzwerk wurde bereits vor fast 30 Jahren gelegt. Die ersten Myasthenie-Patienten wurden 1995 am Bezirksklinikum Regensburg behandelt. Seitdem wurde an der dortigen Klinik für Neurologie ein eigenes Myasthenie-Zentrum mit Spezialsprechstunde etabliert, behandelt, geforscht und vor allem: Die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen wie der Onkologie, der Gynäkologie, Pädiatrie oder der Chirurgie aufgebaut.
     
  • Erstmalig zertifiziert
    wurde die medbo-Neurologie im Jahr 2010.