Chefinnenetage

Meinen medbo Tag verbringe ich heute im Chefärztinnen-Windschatten.

Dr. Susanne Bader ist seit Sommer 2019 Chefärztin des medbo Zentrums für Forensische Suchttherapie – also im Maßregelvollzug: Einer Disziplin mit dem Klischee, nur etwas für „echte Kerle“ zu sein. Ob das stimmt?

Nun. Ich bin heute - Mitte Februar (am Valentinstag noch dazu!) - mit einer Frau verabredet, die das Thema Maßregelvollzug seit über 15 Jahren aus dem FF kennt. Dr. Susanne Bader ist seit einigen Monaten Chefärztin des suchttherapeutischen Zentrums der Klinik für Forensische Psychiatrie & Psychotherapie und pendelt – wie ihre Chefarztkollegin und ihr Chefarztkollege auch – zwischen den Klinikstandorten Regensburg und Parsberg. „Aber Freitag ist in aller Regel Parsberg-Tag“, sagt Dr. Bader.

Forensische Kliniken

Forensische Kliniken der Bezirke sind Einrichtungen mit einer speziellen Aufgabe: Im Auftrag des Freistaats, der in Bayern die Hoheit über den Justizvollzug hat, bilden sie den Maßregelvollzug ab, also die gesicherte Unterbringung und gleichzeitig medizinisch-psychiatrische Versorgung von psychisch oder suchtkranken Straftäterinnen und Straftätern.

 

Bildnachweis: Dr. Susanne Bader (Renate Neuhierl)

Problemlöser

Wir starten im Chefarztsekretariat. Die Sekretärinnen Edeltraud Dechant und Beate Riexinger haben ein Problem auf dem Herzen: Sie brauchen eine technische Lösung zum Scannen von umfangreichen Gutachten und Dokumenten. Bader hört zu, versteht den Punkt und macht einen Lösungsvorschlag. Die Beiden sind zufrieden. Das läuft also schon mal. Dann werden gleich noch die Unterschriftenmappen gecheckt, damit die Kolleginnen und Kollegen die Post fertigmachen können.

Chefärztinnenpflichten

Ob sie denn nicht Visite gehen müsse oder so, will ich wissen. „Klar habe ich mit Patientinnen und Patienten zu tun, aber im stationären Umfeld sind vor allem die Oberärztinnen und - ärzte gefordert. Aber erst gestern war ich fast den ganzen Tag auf Station“, fängt Susanne Bader an: „Der Alltag als Chefärztin ist anders, als man meint. Ich bin natürlich Ärztin, aber in noch höherem Maße bin ich Managerin und Führungskraft. Der Job hat nur wenig Routinen. Heute zum Beispiel steht alles Mögliche an, nur kein Termin mit Patientinnen und Patienten“. Sagt es und greift zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal zum Mobiltelefon – es ist die Pforte, die schnell Bescheid gibt: Der Dienststellenleiter sei da – und damit gehen wir über zum Tagesordnungspunkt Nummer 1: Dienststellenkonferenz.

Konferenz, Konferenzen und noch einmal Konferenz

„Jeden zweiten Freitag trifft sich die Klinikleitung – also wir Chefärztinnen, der Chefarzt und die Leitung Patienten- und Pflegemanagement (LPP) – mit dem Dienststellenleiter Parsberg der medbo“ erklärt Susanne Bader. Heute sind wir aber in kleiner Besetzung: Max Dietl, stellvertretender LPP Parsberg, Dr. Bader und Horst Meisinger, medbo Personaldirektor und Dienststellenleiter Parsberg in Personalunion. Ich spiele Mäuschen. In der Leitungskonferenz geht es um viele Themen, allen voran der anstehende Neubau des Klinikgebäudes. Die bauvorbereitenden Maßnahmen sind schon überall auf dem Gelände sichtbar. Aber auch Prozesse zwischen Klinik und Verwaltung, die „ruckeln“, werden besprochen. Außerdem berichtet Horst Meisinger aus der medbo Geschäftsleitung.

Schreibarbeit

Die Konferenz dauert knapp 90 Minuten, in denen Susanne Bader vier Mal ein Telefonat annehmen musste. „Super, dann haben wir jetzt noch 25 Minuten für ein Protokoll“ meint Max Dietl. Dr. Bader seufzt und klappt ihr Notebook auf. „Wir haben da eine Arbeitsgruppe mit Kolleginnen und Kollegen aus Regensburg und Parsberg, weil wir im Zuge der Neustrukturierung der Klinik ja auch viele Prozesse angleichen müssen. Das Protokoll brauchen unsere Leute schon dringend.“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen zentrums- und standortübergreifend arbeiten können, sagt Bader, und tippt los. Ihr Handy läutet wieder. Eine Oberärztin hat Fragen zu einem Patienten.

Always on - immer auf Empfang

Danach gehen wir in die Mittagspause. „Das Mittagessen ist selbst ein wichtiger Termin“ erklärt Dr. Bader mir. Manchmal sei es im Tagesablauf der einzige Fixpunkt, wo sich die Klinikleitung kurz abstimmen könne. Deswegen wird Max Dietl gleich untergehakt und los geht’s. Wir treffen uns mit Dr. Christian Schlögl, Chefarztkollege Dr. Baders und Ärztlicher Direktor der Gesamtklinik, und Dr. Christoph Künzel, dem Leitenden Psychologen in Parsberg. Beim Essen informieren sich Schlögl und Bader gegenseitig über den Vormittag. Dr. Schlögl war noch in Regensburg, wo es ein Thema mit dem neuen Forensischen Informationssystem gab, das die Klinik derzeit einführt. Dr. Bader erklärt mir, dass das ein riesiges Projekt ist, das noch einige Hürden nehmen muss.

Öffentlichkeitsarbeit

Dann eine kurze Stippvisite im Büro, nach den Emails geschaut, ein-zwei Telefonate, und schon geht es zum nächsten Punkt: Eine Besuchergruppe hat sich angekündigt und Dr. Bader, Dr. Schlögl, der forensische Sicherheitschef der medbo, Georg Jung, und Max Dietl führen die Gäste durch das Haus. So komme auch ich noch zu einer „Ortsbegehung“. Die örtliche Polizeiinspektion will sich über die Baupläne informieren. Dr. Susanne Bader: „Ein wichtiger Termin, denn im Maßregelvollzug ist die Polizei eine wichtige Partnerin.“ Jeden Tag 40 Lastwägen, die ab Baubeginn anliefern und abräumen werden, bedeuten ein Riesenverkehrsaufkommen für die kleine Stadt. Man diskutiert mögliche Ausweichrouten für den Baustellenverkehr. „Wir möchten unseren Nachbarinnen und Nachbarn so wenig wie möglich zur Last fallen“ so Dr. Bader.

Mitarbeiterkommunikation

Der geplante Neubau bewegt auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deswegen hat die Klinikleitung eine Präsentation angesetzt, bei der die einzelnen Bauabschnitte vorgestellt werden. Bauprojektleiterin Christine Böhm zeigt Architektenentwürfe und Aufrisse der Pläne. Bis zum geplanten Ende der Bauphase 2025 wird – so scheint es mir – kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben natürlich viele Fragen: Wo können wir parken, wie ist die Wegeführung im Brandfall, wo werden die Interimseinrichtungen sein? Dr. Bader und Dr. Schlögl nehmen sich für alle Zeit.

Was bleibt

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber höre ich „Chefarzt“ oder „Chefärztin“, fällt mir als Erstes das Klischee vom „Halbgott und Halbgöttin in Weiß“ ein. Nun, in der Forensik tragen die Ärzte und Ärztinnen keine weißen Kittel, die ganze Belegschaft duzt sich und Dr. Bader fällt kein Zacken aus der Krone, ein Protokoll selbst zu tippen. Es ist ein fordernder Job, der viele – wie man so gerne sagt – Soft Skills nötig macht: Geduld, Empathie, Nahbarkeit. Sehr weibliche Eigenschaften, fällt mir dazu wieder ein. Aber ich denke, darüber sind wir bei der medbo schon lange hinweg.