Dünger für den Denkapparat

Laufen statt Sudoku: Warum Bewegung doch das bessere Gehirnjogging ist und es sich auch für die Gehirnleistung lohnt. Nervenarzt Dr. Volker Fischer, ärztlicher Leiter der medbo-MVZ-Filialpraxis in Roding, klärt auf.

Neues Jahr, neue Ziele: Für viele steht Sport ganz oben auf der Liste. Laut einer statistia-Umfrage ist „mehr Sport treiben“ auf Platz 2 der beliebtesten Vorsätze für das Jahr 2024. Doch sind erst mal ein paar Wochen vergangen, sind die Ambitionen nicht selten weg. Nur etwa jeder Vierte gibt an, länger als zwei Monate die Neujahrsvorsätze einzuhalten. Beim Thema Bewegung lohnt sich Durchhalten aber sogar doppelt. Denn: Joggen, Schwimmen oder eine Fahrradtour hält nicht nur körperlich fit. „Sport trainiert auch das Gehirn“, betont Dr. Volker Fischer, ärztlicher Leiter der Rodinger Filialpraxis der Medizinischen Versorgungszentren Neurologie | Psychiatrie der medbo.

Ständiger Umbau: Gehirn verändert sich
Das Wort „Gehirnjogging“ möchte der Nervenarzt lieber wörtlich verstehen. „Ich halte nicht viel von Denksport, um die Gehirngesundheit zu verbessern.“ Wer häufig Sudokus löst, werde am Ende nur besser im Lösen von Sudokus. Nicht aber darin, sich im Job besser zu konzentrieren, den Lernstoff besser aufzunehmen oder den Geburtstag des Nachbarn zu erinnern. Dafür kommt es vielmehr auf die Anzahl der Neuronen und Synapsen an, die die Leistungsfähigkeit des Gehirns bestimmen. Je mehr Verbindungsstraßen zwischen den grauen Zellen vorhanden sind, umso mehr Leistung kann das Gehirn erzielen. Dabei ist dieses neuronale Netzwerk ständig im Fluss. „Unser Gehirn ist ein plastisches Organ. Es verändert sich ständig und ist andauernd im Umbauprozess“, sagt Dr. Volker Fischer. Die gute Nachricht: Diese Neurogenese kann aktiv beeinflusst werden. Auch im hohen Alter. „Das geht am effektivsten mit Bewegung. Sport!“

Bewusster Aufbau: Sport lässt Synapsen sprießen
Ab einer gewissen Intensität steigert Bewegung die Durchblutung des Gehirns. Soweit, so bekannt. Aber neben der verbesserten Sauerstoff- und Nährstoffversorgung werden auch besondere Proteine ausgeschüttet. Sogenannte Nervenwachstumsfaktoren. „Das ist wie Dünger für den Denkapparat“, der besonders im Langzeitgedächtnis Früchte trägt. Diese Proteine helfen dabei, bestehende Neuronen vor dem Absterben zu schützen und bei Regeneration und Wachstum zu unterstützen. Obendrein fördert es sogar die Entstehung neuer grauer Zellen und Synapsen. Das erhöht die kognitive Leistungsfähigkeit und verbessert die Gedächtnisleistung. „Die Gedanken werden sozusagen immer mehr gebahnt.“ Und je stärker die Gedächtniszentrale, umso leichter fällt es sich zu konzentrieren, zu erinnern oder Informationen einzuprägen.

Notwendiger Abbau: Stresspegel sinkt
Doch auch die ausgeprägteste Synapsen-Autobahn kann in der Rush-Hour mal „verstopfen.“ Am Ende eines langen Büro- oder Lerntages ist der Kopf einfach zu. Oder vielmehr das Stirnhirn, auch präfrontaler Kortex genannt: „Dort passiert das Denken, Lernen oder Rätseln. Das Stirnhirn ist aber auch nur begrenzt aufnahmefähig und braucht auch mal eine Pause“, sagt Dr. Volker Fischer. „Beim Sport wird der präfrontale Kortex vom motorischen Zentrum abgelöst.“ Ein anderes Gehirnareal übernimmt also den Staffelstab. Der Kopf wird wieder frei, die Synapsen-Autobahnen sind wieder befahrbar. Dadurch wird auch Stress sehr effektiv abgebaut.

Erbaulich: Vorbeugung gegen Demenz & Depressionen
Durch die Stärkung des neuronalen Netzwerks hat Sport auch eine präventive Wirkung gegen neurodegenerative Erkrankungen. Denn bei Demenz- oder Alzheimer-Patienten sterben die wertvollen Nervenzellen im Gehirn ab, wobei kaum oder keine neuen Neuronen mehr nachgebildet werden können. „Wer sich ausreichend bewegt, senkt sein Erkrankungsrisiko um bis zu 30 Prozent“, betont Fischer. Als Nervenarzt sieht er neben den neurologischen auch den psychischen Aspekt: Sport sei zur Bekämpfung von Depressionen eines der wirksamsten Mittel. „Das liegt an den Neurotransmittern, die freigesetzt werden“, sagt der 65-Jährige. Zum Beispiel Dopamin und Endorphine. Diese Glückshormone wirken sich positiv auf die Stimmung und das allgemeine Wohlbefinden aus. „Der antidepressive Effekt stellt sich sogar sofort ein.“

Nichts verbauen lassen: Gegen den inneren Schweinehund
Also auf ins Fitnessstudio? Nicht unbedingt: „Jede Bewegung hilft“, sagt Dr. Volker Fischer. Treppen statt Aufzug, ein kurzer Spaziergang statt gleich auf die Couch, beim Telefonieren ein paar Schritte hin und herlaufen. Wobei sich die positiven Effekte auf das Gehirn erst ab einer Herzfrequenz von 100 Schlägen pro Minute einstellen, zitiert der Nervenarzt wissenschaftliche Studien: „Dazu muss man sich aber nicht verausgaben, schnelles Gehen oder langsames Joggen reicht dafür oft schon.“ Ideal sei ein Mix aus Kraft- und Ausdauertraining.

Und regelmäßig muss es sein. Die WHO empfiehlt insgesamt 150 Minuten in der Woche. Für bekennende Couchpotatoes hat Fischer zwei wichtige Ratschläge, damit der innere Schweinehund nicht zum Endgegner wird. Erstens: Durchhalten. „Am besten drei Wochen und jeden Tag, ohne Ausnahme. Dann stehen die Chancen am besten, dass aus dem Aufraffen eine Routine wird.“ Zweites: Wählerisch sein. Wer sich auch nach der magischen 21-Tagen-Grenze noch zum Sport zwingen muss, hat vielleicht noch nicht das zu ihm passende gefunden. Wer gerne unter Leuten ist, sollte es mit Mannschaftssport versuchen. Es muss nicht immer Fußball sein, auch Badminton oder Tischtennis sind möglich. Musik-Liebhaber können Gesellschaftstanz versuchen. Naturliebhaber sollten neue Wanderrouten erkunden. „Ich bin selbst zum Beispiel überhaupt kein Läufer.“ Der Nervenarzt genießt nach Feierabend gerne eine Tasse Tee und macht dann viel lieber Krafttraining. „Jeden Tag eine halbe Stunde.“ Und zwar zur gehirnfreundlichsten Tageszeit, am spätes Nachmittag. Zu spätes Training würde den Schlafrhythmus stören.

Rodings „neuer“ Nervenarzt
Dr. Volker Fischer im Portrait

„Den Begriff Nervenarzt kennt heute fast keiner mehr“, lacht Dr. Volker Fischer. „Ganz praktisch übersetzt bin ich Arzt für Psychiatrie und Neurologie.“ Ein Neurologe untersucht den Körper „von oben bis unten“ – ein Psychiater kümmert sich vor allem um die Seele. „Ich habe in meinem Leben sehr davon profitiert, als Behandler beide Blickwinkel einnehmen zu können.“ Fischer spricht aus jahrzehntelanger Berufserfahrung.

Sein Medizinstudium hat der heute 65-Jährige in Regensburg und Würzburg durchlaufen. Danach arbeitete er unter anderem im Universitätsklinikum Erlangen, der Rehaklinik Passauer Wolf in Bad Griesbach und in der Klinik Jesuitenschlössl in Passau. Immer wieder zog es den gebürtigen Bad Kötztinger zurück in seine Heimat. Am Mittelbayerischen Reha-Zentrum versorgte er als Chefarzt die Patienten der Neurologischen Rehabilitation. Ein paar Straßen weiter leitete er in der TCM-Klinik zwölf Jahre lang die psychosomatische Abteilung.

Während er aktuell als Chefarzt der neurologischen Abteilung am Klinikum Jesuitenschlössl in Passau fungiert, leitet er parallel seit Oktober 2023 die MVZ-Filialpraxis der medbo am SANA-Gesundheitscampus in Roding.

Dort beschäftigen ihn derzeit hauptsächlich neurologische Erkrankungen wie Demenz, Polyneuropathie oder Multiple Sklerose. „Die meisten Menschen kommen aber tatsächlich mit einem Symptom zu mir. Mit Schmerzen.“ Gemeinsam mit den Betroffenen geht der Mediziner dann auf Ursachenforschung, um die passende Behandlung durchzuführen.

medbo Medizinische Versorgungszentren Neurologie | Psychiatrie
Filialpraxis Roding

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