Humboldts Erbe

Deutscher, Mexikaner und Mitglied eines der erlesensten Forschungsnetzwerke der Welt. Und medboianer ist er auch. Dr. Juan Lima Ojeda im Portrait.

Nach Corona fand nach fast vier Jahren wieder ein großes Humboldtianer-Treffen in Berlin statt. Mittendrin: Dr. Juan Lima Ojeda, Arzt in Weiterbildung an der psychiatrischen Universitätsklinik der medbo in Regensburg.

„Es war mein erstes Humboldt-Jahrestreffen. Und es war wunderbar, inspirierend, mit tollen Begegnungen. Und unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war auch da!“ Stolz zeigt Juan Lima Ojeda ein Selfie mit ihm und Steinmeier. „Das ist schon etwas Besonderes. Denn zum heurigen 70. Jahrestreffen der Alexander-von-Humboldt-Stiftung hat der Bundespräsident zu einem Empfang eingeladen“, erklärt er.

Da steht er nun. Juan Lima Ojeda sieht so mexikanisch aus, wie man es sich nur vorstellen mag. Seine schwarzen Augen blitzen, sein „R“ rollt, sein flüssiges Deutsch hat einen feurigen Akzent: „Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich bin verheiratet mit einer Deutschen. Ich bin Deutscher und liebe mein Land. Ich bin stolz, Deutscher zu sein. Und Mexikaner! Denn geboren bin ich in Mexico-City und aufgewachsen in Guadalajara – eine der schönsten Städte in Mexiko“.

Aber der junge Arzt steht ganz und gar nicht für Klischees. Egal ob Deutsch-Latino oder Latino-Deutscher: Er ist blitzgescheit und hat in seinen jungen 40 Jahren eine beeindruckende Forschungskarriere hinter sich, die ihn von Mittelamerika schon früh ins europäische Ausland führt.

Über den Tellerrand schauen

In Guadalajara studiert er Medizin (mit Stipendien des mexikanischen Bildungsministeriums). Die Neurowissenschaften haben es ihm angetan, die gehirnassoziierten Fächer Psychiatrie und Neurologie. Und alles darum herum. Denn der Tellerrand ist für Juan Lima keine Grenze.

So verbringt er einen Medizin-Studienzyklus (als Stipendiat der Autonomen Universität Madrid) in Spanien. Nach Abschluss des Studiums der Humanmedizin wechselt er 2010 in die Arbeitsgruppe „Psychiatrische Tiermodelle“ am Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität: als Promotions-Stipendiat natürlich, diesmal gefördert durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst und dessen mexikanischem Pendant Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología.

2015 schließt er seine Promotion bei Prof. Dr. Dragos Inta in Heidelberg/Mannheim „summa cum laude“ mit einer Dissertation zum Thema „Neuroentwicklung und Schizophrenie“ ab. Und gewinnt damit glatt den Hans-Heimann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde DGPPN.

Auf nach Regensburg!

Nach Regensburg kommt er „der Liebe wegen. Meine Frau ist Niederbayerin und hat hier viel Familie.“ Und schön sei es hier auch, im UNESCO-Welterbe, so Lima Ojeda. „Hier bin ich seit 2014 Arzt in Weiterbildung an der Klinik für Psychiatrie & Psychotherapie der Universität Regensburg und auch in der forensischen Klinik am medbo Bezirksklinikum“. Seinen Interessen als Forscher kommt das entgegen. Das „Bauch-Gehirn“ und die Themen rund um dessen mikrobiotischen Einfluss auf das Kopf-Gehirn sind ein großer Forschungsschwerpunkt des Regensburger Psychiatrie-Lehrstuhls (Prof. Dr. Rainer Rupprecht) und der dortigen Arbeitsgruppe „Neurowissenschaften und Depressionsforschung“ (Prof. Dr. Thomas Baghai).

Juan Lima Ojeda ist „Assistenzarzt“. „Ich will ein guter versorgender Arzt werden. Die Facharztprüfung im Psychiatrie & Psychotherapie steht auch bald an“, erzählt er. Ein guter Zeitpunkt nach elf (gast-) wissenschaftlichen Stationen auf zwei Kontinenten in den letzten einundzwanzig Jahren sowie 25 Fachartikeln, einer Monographie, zahlreichen Vorträgen und Kongressbeiträgen. Nicht zuletzt fünf Auszeichnungen und elf Stipendien. Das letzte bringt ihn 2017 nach Finnland.

2017: Humboldt ruft

Dr. Juan Lima Ojeda hat sich bereits einen beachtlichen Ruf in wissenschaftlichen Kreisen erworben, als 2017 – nach dem DGPPN-Preis für seine Promotion – die Alexander-von-Humboldt-Stiftung auf ihn aufmerksam wird. Mit dem Feodor-Lynen-Forschungsstipendium der Stiftung bringt er sich zwei Jahre als Gastwissenschaftler der neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Eero Castrén an der Universität Helsinki ein.

„Durch das Stipendium bin ich automatisch Humboldtianer geworden“, erläutert Dr. Juan Lima Ojeda nicht ohne Stolz. „Aber das bringt auch Verpflichtungen mit sich“. Irgendwann wird er Mentor eines Neu-Humboldtianers sein. „Ich meine aber auch gesellschaftspolitische Verantwortung. Ich bin Deutscher, ich bin Mexikaner. Ich bin Migrant wie so viele Menschen hier in Deutschland. Ich aber habe das Glück, voll anerkannt und aufgenommen zu sein im Kreis meiner Familie, meiner Freunde und nicht zuletzt im Kollegenkreis.“

Eine wichtige Verantwortung

Die Psychiatrie ist sein Thema. „Forschung – so sagt Humboldt – soll unsere Gesellschaft, unser Leben verbessern. Und in der Psychiatrie gibt es dieses besondere Stigma, gegen das ich persönlich ‚anforsche‘.“ Mit seinem eigenen Migrationshintergrund kennt er sich aus mit Vorurteilen und Stigmata. „Sie sind mir auch begegnet und begegnen mir immer mal wieder“, gibt Juan Lima Ojeda zu. Auf dem internationalen Forschungsparkett kommt heute niemand auf den Gedanken, er könne der Gesellschaft eine Last werden. Im Freibad oder im Restaurant kann es schon noch vorkommen …

„Wir sind alle Teil einer einzigen Welt. Als Deutsch-Mexikaner bin ich ein Bindeglied zwischen zwei Gesellschaften. Ich kann den Deutschen zeigen, dass Potential in jedem Migranten, in jeder Migrantin steckt, dem man einfach nur ein wenig Starthilfe geben muss. Und ich kann Migranten zeigen, dass man es schaffen kann, dass sich die Mühe lohnt, dass Deutschland eine Heimat werden kann – wenn man sich mit Gottvertrauen darauf einlässt.“

Das R in „Gottvertrauen“ rollt, die schwarzen Augen blitzen und Juan Lima Ojeda strahlt. ¡Adiós, Juan! ¡Muchas gracias – vielen Dank!

Alexander von Humboldt: Forschen ein Leben lang

30.000 Forscher:innen aus 140 Ländern gehören zum internationalen Forschungsnetzwerk der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, darunter 59 Nobelpreisträger:innen (www.humboldt-foundation.de). Die Stiftung mit Sitz in Bonn fördert Wissenschaftler:innen aller Fachbereiche mit dem Ziel, internationale Spitzenkräfte für den Standort Deutschland zu begeistern. Ganz im Sinne des Naturwissenschaftlers und Weltreisenden Alexander von Humboldt.

Wer einmal zum Kreis der Geförderten – etwa durch ein Stipendium, eine Stiftungsprofessur oder durch einen der hochdotierten Forschungspreise – gehört, der gehört auch ein Leben lang zum Netzwerk der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.